Liebe Sinatra-Freunde,
man kennt sie, alte Freunde und Bekannte, die stets den neuesten Witz auf Lager haben. Die Pointen können flach sein oder über Tiefgang verfügen, sie sind aber stets ein Spiegel der Zeit. Dieser Tage lief mir einer von ihnen über den Weg, und es dauerte nicht lange, bis die Frage nach dem kürzesten Ratpack-Witz im Raum stand. Die Antwort: „Frank, Sammy und Dino treffen sich in der Bar – und trinken Orangensaft!“ Es mag viele Ursachen dafür geben, wieso just jetzt dieser Scherz seine Runden zieht, ein Indiz dafür, daß das „Ratpack“ wieder in aller Munde ist, ist es allemal. Es ist eines von vielen Zeichen, daß Frank, Sammy und Dino wieder up-to-date sind, bei den älteren Semestern sowieso, aber mittlerweile selbst bei Menschen, die erst nach „Duets“ zur Welt gekommen sind – junge Menschen, deren Eltern eher zur ABBA- oder Beatles-Generation zählen. Natürlich, der Ratpack-Hype ist ein Stück verklärte Vergangenheit, er zimmert sich ein Geschichtsbild zurecht, das wohl hoffnungslos an der Realität vorbeischrammt. Wir können uns darüber freuen, oder gebetsmühlenartig predigen, dass zu Franks Lebzeiten der Begriff „Ratpack“ wohl nicht seine Zustimmung gefunden hätte, daß „die Drei“ ihren musikalischen Weg viel eigenständiger gegangen sind, als gemeinhin angenommen wird.
Wer sich ernsthaft mit der Thematik auseinandersetzt, weiß das natürlich und so wird wohl in unserer Runde auch keiner die Antwort auf die diesbezügliche Frage in Bernhard Vogels Interview mit Richard Havers überraschen. Allerdings lohnt die Lektüre des Fragespiels mindestens wie die Anschaffung von Havers’ Meisterwerk über Frank Sinatra. Es ist überhaupt ein Kuriosum, daß wir diesmal mehr Musik zum Lesen als zum Hören empfehlen können. Das liegt aber offenbar daran, daß Buchverlage den Ratpack- und Swing-Höhenflug besser erkannt haben als Plattenfirmen – schlimm genug. Der großartige Musiker Gordon Jenkins ist uns ja nicht erst seit „The Future“ ein Begriff. Es trifft sich gut, daß sein Sohn der schreibenden Zunft angehört. Selbst als Koautor zur Feder gegriffen hat einer von Franks-Leibmusikern, nämlich kein geringerer als Vincent Falcone, der Frank stets verehrte, aber auch mit anderen Show-Biz-Giganten zusammenarbeiten durfte.
Als eine echte Sensation darf ein anderes Werk bezeichnet werden: Bücher über Dean Martin sind ja wahrlich eine Seltenheit, vor allem dann, wenn man welche sucht, in denen authentisch über seine Person berichtet wird. Jetzt, wenige Tage vor Dinos 10. Todestag, bricht einer sein Schweigen, der Dino wohl wirklich kannte: Jerry Lewis. Und auch der letzte Buchtip gilt einem Jubilar – immerhin ein 100. Geburtstag -mit ganz intensivem Frank-Bezug: Tommy Dorsey! Dieser runde Geburtstag ist auch der Anlaß für zwei neue CD-Boxen, die natürlich auch für Sinatra-Fans interessante Aufnahmen beinhalten.
So kurz die Zeit seit der letzten THE VOICE auch war, dennoch ist die Rubrik „Farewell“ wieder übervoll: Er baute nur ein Haus für ihn, dennoch war Ernest Stewart Williams für viele einfach nur Sinatras Architekt. Von uns gegangen ist auch David Westheimer, der Autor von „Colonel van Ryans Express“ sowie Lyle Henderson, ein ganz großer der Musikwelt, der unter anderem als Pianist Frank seinerzeit solo vor den Vereinten Nationen begleitet hat. Weiters trauert die Musikwelt um den Saxophonisten Arthur Paul Sares – der noch unter Glenn Miller gearbeitet hat – und auch Hollywood hat ein Charaktergesicht verloren, das weit bekannter als sein Name war, nämlich Lloyd Bochner; wir kennen ihn aus den Tony Rome-Streifen.
Auch wenn wir von den Plattenfirmen etwas enttäuscht sind, was deren Engagement zu Franks 90er und Sammys 80. Geburtstag betrifft, so entschädigte uns Funk und Fernsehen und auch sonst gab es zu diesem Thema zahlreiche Veranstaltungen. Ich selbst möchte mich da gleich bei allen bedanken, die mit Gerhard und mir im Nightfly’s gefeiert haben. Zahlreiche DSS-Mitglieder reisten auch an, um unserer Mitglied Wolfgang Seljé gemeinsam mit der SWR Big Band swingen zu hören. Tim Bialek berichtet aus der beeindruckenden „Alten Reithalle“ zu Stuttgart. Bernhard verwöhnt uns weiters mit Artikeln über unsere Geburtstagskinder: Franks Geburtstagsstationen bilden einen eigenen Abriß über Franks Leben und auch die Gedanken über Sammy Davis dürfen diesmal nicht fehlen.
Franks Kurzzeit-Ehefrau Mia Farrow spielt bei uns ja eher ein Schattendasein. In dieser Ausgabe kommt sie endlich zu Wort: Sie ist quasi der Stargast in Marcus Prosts Sinatra-Bibliographie. Auch Marc Rothballers Serie bezüglich aktueller „Nachwuchs-Sinatras“ geht weiter, auch wenn John Barrowman längst zum Kreis der etablierten Künstler zählt.
Aus all dem hat uns Andreas Bergmann wieder eine wunderschöne Ausgabe von THE VOICE gebastelt – übrigens bereits das fünfte Heft in diesem Jahr. Und wieder hat unser Mitglied Rainer Brehm einen ganz besonders wertvollen Beitrag geleistet: Er hat – wie schon das ganze Jahr über – auch diesmal den Farbumschlag spendiert; dafür hat er sich wohl unser aller Dank mehr als verdient.
Ein Hinweis in eigener Sache: In der letzten Ausgabe haben wir den Termin für das nächste Jahrestreffen bekanntgegeben. Bitte noch nicht die Anreise für Bremen buchen, zur Zeit sieht es so aus, als könnte sich der Termin um eine Woche nach hinten verschieben, also statt 14. bis 16. Juli auf 21. bis 23 Juli. Endgültige Informationen dazu gibt es ganz sicher in der nächsten THE VOICE oder höchstwahrscheinlich schon vorher per Rundschreiben.
Ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches 2006,
wünscht Euer
Alfred Terschak