A Swingin‘ Affair: Wien im Zweivierteltakt
Eindrücke vom DSS-Jahrestreffen 2003
(von Bernhard Vogel)
Ob es wohl häufiger vorkommt, daß der Pianist im Hausgarten des Café Dommayer sanft swingende Sinatra-Melodien erklingen läßt? Immerhin ist dieses alte Kaffeehaus im Wiener Vorort Hietzing die musikalische Geburtsstätte des Walzerkönigs Johann Strauss Sohn gewesen, der hier 1844 mit seinem ersten Orchester debutierte, und seitdem als Schauplatz Wiener Salonbälle und verfilmter Walzerseligkeit zur Legende geworden. Am Samstagnachmittag des 9. August 2003 jedenfalls, als unsere fröhliche DSS-Runde dort auf Kaffee und Kuchen Station machte, ging der Klavierspieler mit Leichtigkeit zum Zweivierteltakt über und erfreute uns mit einem beschwingten „Learning The Blues“, und einigen anderen vertrauten Klängen mehr. Er hatte wohl Sinatras Konterfei erspäht, das unübersehbar auf einigen unserer T-Shirts prangte… aber von Anfang an.
Per Bahn oder Flugzeug, und größtenteils bereits in kleinen gemeinsamen Gruppen – geteilte Vorfreude ist bekanntlich doppelte Vorfreude! – , traf unser gutes Dutzend DSSler im Laufe des Freitags in der Donaumetropole ein. Diejenigen von uns, die das Ziel schon am Nachmittag erreicht hatten, kamen in den Genuß einer kleinen aber feinen Stadtführung durch unseren Gastgeber Alfred Terschak. Wer Wien kennt, weiß, daß man Wochen in dieser Stadt zubringen kann, ohne alles gesehen zu haben, was sehenswert ist – und wer wie ich zum ersten Mal dorthin kommt, ahnt es zumindest. Was soll man da in knapp drei Stunden zeigen? Alfred machte Unmöglich scheinendes möglich und führte uns vom Stephansdom aus (den wir natürlich auch von innen in Augenschein nahmen) durch die angrenzenden Viertel und zur Hofburg, auf Wegen, die nicht in jedem Stadtführer stehen. So konnte man die Blicke schweifen lassen und „Atmosphäre tanken“, verborgene Winkel im Gassengewirr kennenlernen und außer von manch historischem Gemäuer auch Eindrücke von typischer Alltagsarchitektur sammeln, wie sie eine solche gewachsene Großstadt ausmacht. Ein toller Spaziergang, der Lust auf mehr gemacht hat.
Am Abend waren wir dann zu Gast im „Nightflys“, einer der besten Bars der Stadt – und für uns Sinatrafreunde hätte es wohl kein besseres Domizil geben können. Hier sind Frank Sinatra, Sammy, Dino und all die anderen „zu Hause“… schon beim Hinabsteigen in den Barkeller klang uns The Voice entgegen, seine Lieder gehören hier zum häufig aufgelegten Standardrepertoire, an den Wänden hängen seine Photos und die vieler anderer Großer des Fachs, und bei Bedarf gibt es sogar Konzertvideos auf einer fest installierten Leinwand per Videobeamer zu sehen. An einem gemütlichen langen Tisch wurden wir bis in die Nacht von zuvorkommendem und freundlichem Service perfekt umsorgt, konnten leckere Drinks aus der über 100(!)seitigen Getränkekarte genießen und uns ganz der Sinatra-Geselligkeit hingeben. Auch unsere Konzertvideowünsche, darunter Sinatras großes Galakonzert in der Londoner Royal Festival Hall vom Juni 1962, wurden uns vom Team bereitwillig erfüllt. Ein phantastischer, gediegener, musikalischer, swingender Abend – die Stunden waren im Nu verflogen. Ein Ort, der sich im Prinzip auch zum Überwintern eignet…
Am Samstag morgen dann ging es nach relativ kurzer Nacht und einem Frühstück in unserem Hotel mit dem Bus auf Fahrt. Nicht irgendein Bus allerdings, sondern, wie sich herausstellte, das Gefährt, mit dem sonst die Mannschaft von Rapid Wien zu ihren Einsätzen kutschiert wird… . Ein zufälliges Extra für die Fußballfreunde. Bei „Kaiserwetter“ (oder sollte man hier passenderweise lieber „Chairman-Wetter“ sagen?) ging es hinaus aus der Stadt und über den bekannten Kurort Baden und durch die Weinberge bei Gumpoldskirchen bis nach Perchtoldsdorf, einem der ältesten Weinorte der Gegend. Beeindruckend fand ich dabei vor allem das Landschaftspanorama, der Übergang von den Alpen, an dessen im Wienerwald mündenden Ausläufern Wien liegt, zur pannonischen Tiefebene – im Bus gab’s natürlich den passenden Soundtrack aus mitgebrachten Sinatra-CDs, von denen sich auch unser Fahrer sehr angetan zeigte („endlich mal was g’scheits!“). In Perchtoldsdorf wartete, natürlich, der klassische „Heurige“ auf uns, beim Franz Sommerbauer ließen wir uns den Gespritzten und ein deftiges Mittagessen schmecken. Danach ging’s wieder Richtung Wien, mit einer kleinen Busrunde vor dem Eingang zum Schloß Schönbrunn (Motto: „man muß es ja wenigstens mal kurz gesehen haben“) und einem Erfrischungsstopp am eingangs erwähnten Café Dommayer in Hietzing.
Grandios war auch der Ausblick auf die Stadt von den umliegenden Höhen des Wienerwalds, die wir auf dem Rückweg durchfuhren, Photostopp inbegriffen. In Wien gab’s dann auf dem Weg zum Hotel noch eine kurze Stadtrundfahrt, erst vorbei an der von Friedensreich Hundertwasser genial gestalteten Müllverbrennungsanlage über die baumbestandene große Ringstraße, die an Staatsoper, Burgtheater und Rathaus vorbeiführt und auch am Hotel Imperial, wo Frank Sinatra bei seinen Konzertauftritten in Wien (1984 und 1989) abgestiegen war.
Nur knapp 10 Minuten zu Fuß waren es praktischerweise vom Hotel zum Studentenkeller in der Schaumburgergasse, wo wir den Samstagabend zubrachten. Hier fand zunächst die offizielle Mitgliederversammlung statt, und im Anschluß daran hieß es „Sinatra Open-End!“. Alles da was man zu so einer Party braucht: Preiswerte Getränke, deftiges Essen, ein Haufen netter Leute, und Musik Musik Musik! Per Videobeamer ließen wir uns von mehreren Sinatra-Konzerten auf Leinwand mitreißen, darunter sein Auftritt im Maracana-Fußballstadion von Rio de Janeiro 1980 (das ihm mit 180.000 Zuschauern seinerzeit einen Eintrag im Guiness-Buch der Rekorde bescherte), sein phantastisches Konzert in Buenos Aires 1981 (einer seiner allerbesten Auftritte überhaupt), sowie die TV-Specials von 1967 (mit Ella Fitzgerald und Antonio Carlos Jobim) und 1968. Auch unser Ehrenmitglied Tony Bennett durfte natürlich nicht fehlen. Ein toller Sinatra-Abend, den die letzten Unentwegten nach mehreren „letzten Bieren“ erst in den frühen Morgenstunden beendeten. Am Sonntag traten dann die meisten wieder die Heimreise an.
Passenderweise waren wir dann auch alle in demselben preiswerten Hotel untergebracht, so daß nach dem Ende des Programms nicht alles auseinander lief und genug Zeit blieb für kleinere Runden, den Austausch von CDs und anderem mehr. Dafür, wie für alles, ein großes Dankeschön an unseren Gastgeber Alfred Terschak. Sein Organisationstalent, seine „Beziehungen“ und sein fein dosiertes und abwechslungsreiches Programm haben uns ein rundum gelungenes Jahrestreffen beschert. So konnte Wien seinem Namen als Sinatra-Stadt alle Ehre machen.
Kurzum: Ein swingendes Wochenende voller Spaß und ungezwungener Geselligkeit unter Gleichgesinnten war es… und so soll es ja auch sein bei uns in der DSS. Nicht nur, daß man sich freut, liebgewonnene Freunde wiederzusehen – besonders schön fand ich persönlich, daß wieder neue Leute zu uns gefunden haben, zum Beispiel unser neues Mitglied Franz Linnig, der nur wenige Tage nach seinem Beitritt kurzentschlossen die weite Reise mit der Bahn aus dem Rheinland angetreten hatte, um dabei zu sein. Oder auch, daß „Ehemalige“ wie Andi Bergmann oder Franz Lanzl wieder mit von der Partie waren. Katharina Herrmann kam mit ihrer Mutter (und die beiden nutzten die Reise gleich, um noch eine Woche in Wien dranzuhängen), Birgit Sander brachte ihren Lebensgefährten mit. Die Familie wächst: So soll es sein.
Freuen wir uns auf viele alte und viele neue Gesichter im nächsten Jahr:
In the cool cool cool of the evening, tell them I’ll be there!