Tony Bennett in London – Royal Albert Hall am 13. April 2005

von Andreas Est

Vorab sei verraten, ohne die Sinatra-Szene könnte ich auch heute mit dem Namen Tony Bennett sicherlich nicht viel anfangen, er war mir bis vor 2 Jahren ziemlich unbekannt. Durch Berichte, gerade in diesem Heft, wurde jedoch mein Interesse an ihm geweckt. So habe ich mir vor einiger Zeit die „Unplugged“-CD gekauft. Wahrlich ein Glücksgriff, denn diese Scheibe gefiel mir sofort.

Michael Dörffler hat anschließend mein Bennett-Wissen mit Tips und Gaben bereichert. Dadurch und durch die hier veröffentlichten Konzertkritiken, wurde in mir der Wunsch geweckt, Bennett „live on stage“ zu erleben. Doch leider scheint er einen riesengroßen Bogen um Deutschland zu machen….

Im letzten Herbst „sickerte“ der Hinweis auf seine diesjährigen Konzerte in Großbritannien durch, am 13. und 14. April gastiere er demnach in der Londoner Royal Albert Hall. Ich war seit Jahrzehnten nicht mehr auf der Insel, meine Frau wollte schon immer mal nach London und so wurde eben Tourismus mit Kultur verbunden: Zu Weihnachten bekam meine Frau, selbstlos wie ich bin, zwei Tage London inklusive Konzertkarte geschenkt.

Am 13. April ging es zu nachtschlafender Zeit ab Düsseldorf mit dem Flieger nach London Stansted. Wegen des Zeitunterschiedes von einer Stunde waren wir bereits vor 7 Uhr in Stansted gelandet und somit sehr früh in London Town. Der touristische Part begann mit einer Besichtigung des Towers. Dann folgte Erklimmen (Lüge: Fahrstuhl) der Tower Bridge, Hotelbezug, Westminster Abbey, Parlamentsgebäude, Riesenrad (lediglich von außen, ist mir wegen Höhenangst mit 130 Metern etwas zu hoch). Anschließend ging es zurück zum Hotel, Umziehen, Frischmachen und Ausruhen waren angesagt.
Royal Albert Hall
Dann liefen wir zu Fuß zur Royal Albert Hall. Die Halle bietet schon von außen einen tollen Anblick, von innen ist sie einfach nur als PHANTASTISCH zu bezeichnen. Kritiker bemängeln zwar die Akustik – meine Freude, einem Konzert in dieser legendären Halle beiwohnen zu dürfen, trübte dieser „Mangel“ jedoch nicht. In den Gängen finden sich selbstverständlich Bilder mit Auftritten von Frank, Liza, Sammy und, und, und.
Zunächst galt es, Michael zu treffen und mit ihm das Anschlußprogramm zu planen. Erst dann wurden die Plätze im Unterrang, relativ nah an der Bühne (zu 39 Pfund), belegt und wir warteten geduldig auf Tony Bennett. Pünktlich um acht erschien zunächst sein Quartett, bestehend aus Bassist, Klavierspieler, Drummer und Gitarrist. Dann betrat Mr. Tony Bennett unter großem Beifall die Bühne.
OPTIMALES PROGRAMM
Für einen Sinatra-Fan bot er ein optimales Programm, fast alle Lieder waren mir präsent! Michael, bekanntlich ein Dauergast bei seinen Konzerten, sprach danach von „einem typischen Bennett Konzert“. Unbekannt waren mir lediglich ein Country-Song sowie sein selbst komponiertes Werk. Gleich zu Beginn hieß es „The Best Is Yet To Come“, von Bennett wunderbar dargeboten – und trotzdem waren meine Gedanken bei Frank. Beim Lied „Maybe This Time“ wurde deutlich, Bennett beherrscht die leisen wie lauten Töne meisterhaft! Für mich ein absoluter Höhepunkt des Programms war „Speak Low“, einfühlsam dargeboten – Gänsehaut pur!

Ohne Mikro
Als letztes Lied vor den Zugaben stimmte Bennett „Fly Me To The Moon“ an. Vorab legte er jedoch sein Mikro aufs Klavier und sang „ohne”. Ein Künstler, der sich so etwas in einer großen Halle traut, der muß seinen Part beherrschen. Und Bennett beherrscht ihn erstklassig! Mit dem letzten Ton hielt es nicht nur mich, sondern viele Zuschauer der bis in die hohen Ränge gut gefüllten Halle nicht mehr auf den Sitzen – Standing Ovations waren der verdiente Lohn!
Erstklassige Musiker
Sorry (geht an die Solisten, nicht an die Leser), die Namen seiner Musiker habe ich nicht drauf. Aber, allein sie waren das Eintrittsgeld wert! Immer wieder überließ Bennet ihnen lange Solostücke, wodurch sie ihr erstklassiges Können dem begeisterten Publikum beweisen konnten.
How Do You Keep The Music Playing
„How Do You Keep The Music Playing“ hieß es nach eineinhalb Stunden wunderbarer Unterhaltung. Mit einer langen und sehr persönlichen, Frank Sinatra gewidmeten Einleitung bereitete Tony ein glänzendes Finale vor und brachte mit diesem Lied ein tolles Konzert zu einem denkwürdigen Abschluß.

Anschließend haben wir den Abend in einem typischen Pub bei Guinness (ich) und Ale (Michael) ausklingen lassen. Typisch auch deshalb, weil kurz vor 23 Uhr der Englandreisenden gut bekannte Ruf „Last orders, please” erklang. Durch dieses abrupte Ende konnten wir das Thema „Hätte Sinatra mit nur vier Begleitmusikern auch ein solches Konzert bestreiten können?“, nicht zu Ende diskutieren. Einigkeit herrschte jedoch darüber, daß FS es mit 78 Jahren sicher nicht gekonnt hätte. Dies soll auch meine einzige Bemerkung zu Bennetts Alter sein. Er war gut – unabhängig von seinen Lebensjahren!
Wen es interessiert: Am folgenden Tag haben wir uns den Buckingham Palace mit Wachwechsel, den Trafalgar Square, den Piccadilly Circus (tolle Plattenläden in der Gegend!) und die St. Paul’s Cathedral angesehen. Abends ging es wieder zurück nach Germany.

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