von Andreas Est
Vorab sei verraten, ohne die Sinatra-Szene könnte ich auch heute mit dem Namen Tony Bennett sicherlich nicht viel anfangen, er war mir bis vor 2 Jahren ziemlich unbekannt. Durch Berichte, gerade in diesem Heft, wurde jedoch mein Interesse an ihm geweckt. So habe ich mir vor einiger Zeit die „Unplugged“-CD gekauft. Wahrlich ein Glücksgriff, denn diese Scheibe gefiel mir sofort.
Michael Dörffler hat anschließend mein Bennett-Wissen mit Tips und Gaben bereichert. Dadurch und durch die hier veröffentlichten Konzertkritiken, wurde in mir der Wunsch geweckt, Bennett „live on stage“ zu erleben. Doch leider scheint er einen riesengroßen Bogen um Deutschland zu machen….
Im letzten Herbst „sickerte“ der Hinweis auf seine diesjährigen Konzerte in Großbritannien durch, am 13. und 14. April gastiere er demnach in der Londoner Royal Albert Hall. Ich war seit Jahrzehnten nicht mehr auf der Insel, meine Frau wollte schon immer mal nach London und so wurde eben Tourismus mit Kultur verbunden: Zu Weihnachten bekam meine Frau, selbstlos wie ich bin, zwei Tage London inklusive Konzertkarte geschenkt.
Am 13. April ging es zu nachtschlafender Zeit ab Düsseldorf mit dem  Flieger nach London Stansted. Wegen des Zeitunterschiedes von einer  Stunde waren wir bereits vor 7 Uhr in Stansted gelandet und somit sehr  früh in London Town. Der touristische Part begann mit einer Besichtigung  des Towers. Dann folgte Erklimmen (Lüge: Fahrstuhl) der Tower Bridge,  Hotelbezug, Westminster Abbey, Parlamentsgebäude, Riesenrad (lediglich  von außen, ist mir wegen Höhenangst mit 130 Metern etwas zu hoch).  Anschließend ging es zurück zum Hotel, Umziehen, Frischmachen und  Ausruhen waren angesagt.
Royal Albert Hall
Dann liefen wir zu Fuß zur Royal Albert Hall. Die Halle bietet schon von  außen einen tollen Anblick, von innen ist sie einfach nur als  PHANTASTISCH zu bezeichnen. Kritiker bemängeln zwar die Akustik – meine  Freude, einem Konzert in dieser legendären Halle beiwohnen zu dürfen,  trübte dieser „Mangel“ jedoch nicht. In den Gängen finden sich  selbstverständlich Bilder mit Auftritten von Frank, Liza, Sammy und,  und, und.
Zunächst galt es, Michael zu treffen und mit ihm das Anschlußprogramm zu  planen. Erst dann wurden die Plätze im Unterrang, relativ nah an der  Bühne (zu 39 Pfund), belegt und wir warteten geduldig auf Tony Bennett.  Pünktlich um acht erschien zunächst sein Quartett, bestehend aus  Bassist, Klavierspieler, Drummer und Gitarrist. Dann betrat Mr. Tony  Bennett unter großem Beifall die Bühne.
OPTIMALES PROGRAMM
Für einen Sinatra-Fan bot er ein optimales Programm, fast alle Lieder  waren mir präsent! Michael, bekanntlich ein Dauergast bei seinen  Konzerten, sprach danach von „einem typischen Bennett Konzert“.  Unbekannt waren mir lediglich ein Country-Song sowie sein selbst  komponiertes Werk. Gleich zu Beginn hieß es „The Best Is Yet To Come“,  von Bennett wunderbar dargeboten – und trotzdem waren meine Gedanken bei  Frank. Beim Lied „Maybe This Time“ wurde deutlich, Bennett beherrscht  die leisen wie lauten Töne meisterhaft! Für mich ein absoluter Höhepunkt  des Programms war „Speak Low“, einfühlsam dargeboten – Gänsehaut pur!
Ohne Mikro
Als letztes Lied vor den Zugaben stimmte Bennett „Fly Me To The Moon“  an. Vorab legte er jedoch sein Mikro aufs Klavier und sang „ohne”. Ein  Künstler, der sich so etwas in einer großen Halle traut, der muß seinen  Part beherrschen. Und Bennett beherrscht ihn erstklassig! Mit dem  letzten Ton hielt es nicht nur mich, sondern viele Zuschauer der bis in  die hohen Ränge gut gefüllten Halle nicht mehr auf den Sitzen – Standing  Ovations waren der verdiente Lohn!
Erstklassige Musiker
Sorry (geht an die Solisten, nicht an die Leser), die Namen seiner  Musiker habe ich nicht drauf. Aber, allein sie waren das Eintrittsgeld  wert! Immer wieder überließ Bennet ihnen lange Solostücke, wodurch sie  ihr erstklassiges Können dem begeisterten Publikum beweisen konnten.
How Do You Keep The Music Playing
„How Do You Keep The Music Playing“ hieß es nach eineinhalb Stunden  wunderbarer Unterhaltung. Mit einer langen und sehr persönlichen, Frank  Sinatra gewidmeten Einleitung bereitete Tony ein glänzendes Finale vor  und brachte mit diesem Lied ein tolles Konzert zu einem denkwürdigen  Abschluß.
Anschließend haben wir den Abend in einem typischen Pub bei Guinness  (ich) und Ale (Michael) ausklingen lassen. Typisch auch deshalb, weil  kurz vor 23 Uhr der Englandreisenden gut bekannte Ruf „Last orders,  please” erklang. Durch dieses abrupte Ende konnten wir das Thema „Hätte  Sinatra mit nur vier Begleitmusikern auch ein solches Konzert bestreiten  können?“, nicht zu Ende diskutieren. Einigkeit herrschte jedoch  darüber, daß FS es mit 78 Jahren sicher nicht gekonnt hätte. Dies soll  auch meine einzige Bemerkung zu Bennetts Alter sein. Er war gut –  unabhängig von seinen Lebensjahren!
Wen es interessiert: Am folgenden Tag haben wir uns den Buckingham  Palace mit Wachwechsel, den Trafalgar Square, den Piccadilly Circus  (tolle Plattenläden in der Gegend!) und die St. Paul’s Cathedral  angesehen. Abends ging es wieder zurück nach Germany.
			
	
