Eindrücke vom DSS-Jahrestreffen 2011

SO ZOGEN SIE DURCH POTSDAM

Eindrücke vom DSS-Jahrestreffen (23. bis 27. Juli 2011)

Von Bernhard Vogel.

„Mein liebes Weibchen“, schrieb Mozart 1789 aus Potsdam an seine Frau Constanze, „Potsdam ist ein teurer Ort, und ich muß hier auf eigene Kosten zehren. Mit der Akademie ist nicht viel zu machen… so mußt Du Dich bei meiner Rückkehr schon mehr auf mich freuen als auf das Geld.“

Diesem eher ernüchternden Fazit kann man augenzwinkernd entgegenhalten, daß es da den Teilnehmern unserer diesjährigen Potsdamer „Akademie“ – auch wenn uns bei unseren Jahrestreffen ja ebenfalls die Musik zusammenführt – ganz anders und viel besser ergangen ist als seinerzeit dem guten Wolfgang Amadeus. Und das lag nicht nur daran, daß Potsdam heute keine teure Stadt mehr ist und unser gemeinsames Wochenende ohnehin nicht der persönlichen Geldvermehrung, sondern im Gegenteil sozusagen dessen moderater Verminderung in geselliger Runde dienen sollte.

Denn die inzwischen bewährte Mischung aus „Sight-seeing“ (wieder einmal in einem UNESCO-Welterbe), entspannten Urlaubstagen in angenehmem Quartier und Gesprächen mit liebgewonnenen Freunden auf der Basis unserer gemeinsamen Leidenschaft für Frank Sinatra sorgte dank einer perfekten Organisation durch unseren „Mann vor Ort“ auch in Potsdam für reichen Ertrag – in Form vieler unvergeßlicher Eindrücke, darunter einer Sinatra-Kinopremiere im Freien und einer singenden Straßenbahn…

I.

Zur guten Tradition unserer Jahrestreffen gehört inzwischen der sprichwörtliche Satz „es geht schon vorher los, dauert dafür aber ein wenig länger“: Auch diesmal nutzten einige die „Brücke“ des Fronleichnamsfeiertags, um bereits am Donnerstag (23. Juni) anzureisen, und die letzten traten erst am Montag (27.6.) die Heimreise an.

Vor den Toren der Stadt am Ufer des malerischen Templiner Sees liegt das Waldgebiet der Pirschheide, und dort mitten im Grünen befand sich unser Quartier, das in Nachwendezeiten errichtete moderne „Seminaris Seehotel Potsdam“, eine wunderbare Oase der Ruhe mit – dies sei schon an dieser Stelle vorab bemerkt – äußerst zuvorkommendem und durchgehend gastfreundlichem Service, der uns schon am späten Donnerstag mittag auf der seeseitigen Sonnenterrasse den ersten Umtrunk servierte und uns in den folgenden Tagen auch lange nach offiziellem Schankschluß in der Hotelbar mit den passenden Drinks zum obligatorischen „it’s a quarter to three…“ versorgte, zudem einen perfekt eingerichteten Tagungsraum für unsere Mitgliederversammlung und den Videoabend zur Verfügung stellte und sogar nachts um drei noch zwei Teilnehmer nach knapp tausend Kilometern Autofahrt ganz unkompliziert auf ihrem gebuchten Zimmer eincheckte. Den Stempel „empfohlen von der DSS“, so wir einen solchen mal vergeben wollen, hat sich das Hotel also ganz sicher verdient.

Wer mit dem Zug (oder vom heutigen Potsdamer Hauptbahnhof aus mit der Straßenbahn) anreiste, der landete an einem Relikt besonderer Art: Denn hier, „mitten in der Pampa“, lag zu Zeiten der DDR der damalige Hauptbahnhof Potsdams, frequentiert täglich von vielen zehntausend Passagieren auf dem Weg zur oder von der Arbeit. Heute heißt der Bahnhof wieder „Potsdam Pirschheide“, besitzt nur noch ein einziges Gleis für den Personenverkehr und sieht etwa 60-100 Fahrgäste am Tag, während der große Rest im Dornröschenschlaf versinkt – zerbrochene Scheiben, vermauerte Gebäude, Treppen und Tunnel, Graffiti, löcherige Regenrinnen, blühendes Unkraut: Versunkene Zeiten. Ein begehrtes Fotomotiv in den folgenden Tagen, zumal der einzige Weg vom Hotel in die Stadt bzw. zur Straßenbahnhaltestelle stets über den einzigen noch geöffneten Bahnsteig führt. Erwähnenswert, weil Frank Sinatra, der Modelleisenbahner, bei einer Auktion 1992 einmal auf ein Modell der legendären DDR-„Sputnik“-Vorortzüge geboten hat, die bis 1989 über diesen Bahnhof die geteilte Stadt Berlin großräumig „umkreisten“. Und wer die Bilder der verfallenden Anlage mit einem Soundtrack unterlegen möchte, wird wohl kaum eine bessere Musik dazu finden als Sinatras „There Used To Be A Ballpark“. Oder „A Cottage for Sale“.

Nur zwei Stationen sind es von dort nach Schwielowsee/Caputh, unserem ersten Ausflugsziel am Donnerstag nachmittag. Das frühbarocke Schloß Caputh (der einzige erhaltene hiesige Schloßbau aus der Zeit des „Großen Kurfürsten“ Friedrich Wilhelm, der es 1671 erwarb) beherbegt heute eine sehenswerte kleine Ausstellung, deren Exponate uns einen Vorgeschmack auf die Orte liefern konnten, die in den kommenden Tagen im Mittelpunkt stehen sollten.

In Erinnerung bleibt aber vor allem das „Fährhaus Caputh“ mit seiner traditionsreichen, seit ihrer Erbauung auf Pfählen 1904 weitgehend unveränderten Seeterrasse, wo wir ein gemütliches Abendessen einnehmen konnten. Hier waren besonders in den 1920er Jahren zahlreiche prominente Künstler und Intellektuelle zu Gast – oft etwa Albert Einstein, der einmal in einem Brief an seinen Sohn knittelte: „Komm nach Caputh, pfeif auf die Welt, sei ein gutes faules Tier, streck alle Viere weit von Dir.“

Und seine Frau Elsa ergänzte: „[Albert] hat sich auf sein Caputh eingestellt, ganz und gar. Lebt hier göttlich wie nirgends. Die Ruhe, die Spaziergänge, die Fähre, der Blick zum Templiner See – das ist es, was diesen Ort so liebenswert macht.“

Das konnten wir nachvollziehen, zumal wir nach einem Übersetzen mit der alten Fähre (die allerdings zu Einsteins Zeiten wahrscheinlich noch nicht „Tussi II“ hieß) den Tag mit einem gemütlichen Spaziergang am Seeuferweg entlang ausklingen ließen, der uns in einer guten Stunde zurück zum Hotel (bzw. erstmal zur Schlußrast im gemütlichen Biergarten des nahen Zeltplatzes) führte. Dort konnten wir den inzwischen neu hinzugestoßenen schon berichten, warum eben nicht nur die historischen Sehenswürdigkeiten Potsdams selbst, sondern auch die Seen- und Parklandschaft der näheren Umgebung berechtigterweise zum Welterbe gehören. Das Motto freilich blieb „The Best Is Yet To Come“…

II.

Opulentes Frühstück in der Morgensonne auf der Seeterrasse – auch das gab es so bislang noch nicht bei einem Sinatra-Treffen, und so wurde es am Freitag (24. Juni) wie den folgenden Tagen entsprechend genossen. Wobei am Freitag manch sorgenvoller Blick sich gen Himmel richtete: Würde das Wetter halten? Schließlich stand am Abend eine Freiluftpremiere bevor…

Zunächst aber ging es vom Dornröschenbahnhof Pirschheide mit dem Bus in die Stadt, die einst neben Berlin das Herz Preußens bildete und heute wieder die Hauptstadt des deutschen Bundeslands Brandenburg ist. Erste Station war die „Russische Kolonie Alexandrowka“, eine Art künstlicher Siedlung mit Häusern im (mehr oder weniger authentischen) russischen Dorfhausstil, die der preußische König ab 1826 errichten ließ, um „eine Colonie zu gründen, welche ich mit den mir [vom Zaren] überlassenen Russischen Sängern als Colonisten besetzen (…) will.“. Ein musikalischer Ursprung also, der sich entfernt auch noch im Werk Sinatras fortsetzte, der russische Komponisten (wie Tschaikowsky) und Lieder so sehr schätzte.

Ein paar Straßenbahnstationen weiter am Nauener Tor liegt das berühmte Holländische Viertel, in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts vom Vater Friedrichs des Großen für Handwerker der preußischen Könige errichtet, ein europaweit einzigartiges Ensemble aus Backsteinbauten im holländischen Stil. Hier liegt auch das Haus, in dem der legendäre „Hauptmann von Köpenick“ einst seine Uniform erstand. Wenn man die einladenden Straßen heute betritt, kann man sich nur noch schwer vorstellen, daß das ganze Areal zu Zeiten der DDR praktisch dem Verfall preisgegeben war und nach der Wende nur noch knapp gerettet werden konnte, größtenteils durch private Eigeninitiative.

„Oh yes, I am excited“, sagte Sinatra im März 1993 bei einem Interview anläßlich seiner bevorstehenden Deutschlandtournee, die ihn erstmals – und zum einzigen Mal – auch nach Berlin führen sollte, „it’s not just what happens now in Berlin, but also in the surrounding areas. Freedom of life comes back, I mean: that’s splendid!“

So hätte ihm vielleicht auch die wiederauferstandene traditionsreiche Gaststätte “Zum Fliegenden Holländer” gefallen, wo man heute wieder einkehren und zum Beispiel bei einem lokalen Braunbier einen mittäglichen Regenschauer abwarten kann. (Mit besorgtem Blick zum Himmel, weil ja am Abend noch…)

Und mit der einen Straßenzug weiter aufgestellten Statue des Friedrich Wilhelm von Steuben hätte Sinatra sicher auch etwas anfangen können, denn sie ist eine exakte Replik der Statue, die seit 1910 direkt gegenüber dem Weißen Haus in Washington steht, wo man des preußischen Generals Verdienste im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gedenkt – und an der berühmten Steuben-Parade in New York City hat Sinatra über die Jahrzehnte hinweg mehrmals teilgenommen.

Über den Bassinplatz und vorbei am alten Marstall ging es zum einstigen Paradeplatz Potsdams, lange geprägt von der imposanten Nikolaikirche auf der einen und dem königlichen Potsdamer Stadtschloß auf der anderen Seite – wo heute eine riesige Baugrube liegt und Maschinenlärm von dem Vorhaben kündet, das im Zweiten Weltkrieg schwer aber nicht unrettbar beschädigte und dann von den DDR-Machthabern 1959/60 aus ideologischen Gründen komplett gesprengte Schloß wiederaufzubauen, in das dann der brandenburgische Landtag einziehen soll. Eine Baubaracke mit begehbarer Dachterrasse und einer kleinen Ausstellung zum Wiederaufbauvorhaben informierte dort über Plan und Stand der nicht unumstrittenen Arbeiten, ein reizvoller Schlußpunkt des lehrreichen Rundgangs.

Und es regnete wieder… ja würde denn am Ende der Höhepunkt des Abends…

III.

Um’s kurz zu machen: Nein, würde er nicht. Das Wetter ändert sich in der Potsdamer Seenlandschaft offenbar genauso schnell wie an den Meeresküsten – pünktlich zum gemeinsamen Abendessen im „El Puerto“, einem sympathischen spanischen Restaurant am neugestalteten Potsdamer Hafen jenseits der Schloßbaustelle, waren alle Regenwolken so schnell verschwunden, wie sie gekommen waren. Kein Schelm, wer denkt, daß da vielleicht Francis Albert droben ein Machtwort sprach – denn schließlich stand (s)eine Filmpremiere an!

Nahe des Hafens liegt die „Freundschaftsinsel“, und in ihrer Mitte das Potsdamer „Inselkino“, eine Open-Air-Arena mit Leinwand… wie oft schon hatten wir uns so eine Location gewünscht, um einmal „Sinatra“ zu frönen – nun wurde es Wirklichkeit. Einziger Wermustropfen: Das tagsüber eher garstige Wetter verzog sich erst so knapp am Abend, daß der allgemeine Publikumszuspruch (trotz Inserat im lokalen Kinoprogramm) in der kleinen nicht überdachten Arena überschaubar blieb, und so räkelten sich quasi ausschließlich DSS-Mitglieder in den in erster Reihe bereitgestellten Strandliegestühlen, um ab 22 Uhr auf Großkinoleinwand „Robin and the Seven Hoods“ zu genießen. Das Kino hatte freundlicherweise übernommen, die Rechte für die öffentliche Ausstrahlung zu sichern.

„Sieben gegen Chicago“ also, jenen 1963 unter der Regie von Gordon Douglas gedrehten und 1964 in die US-amerikanischen Kinos gekommenen Streifen also, in dem Sinatra nicht nur eine (auch musikalische) Hauptrolle spielt, sondern den Sinatra auch selbst mit seiner eigenen Firma produzierte. Co-starring Dean Martin, Sammy Davis junior, Bing Crosby – was will man mehr? Zudem eine witzige Geschichte um die “Mafia-Szene” in Chicago, die gekonnt (Sinatra als Produzent läßt grüßen) mit Klischees der „Familie“ spielt, und damit implizit auch mit den damaligen Anschuldigungen der Person Sinatras gegenüber – der Lake-Tahoe-Skandal war bei den Dreharbeiten 1963 nicht mal ein Jahr alt.

Dazu grandiose Musiknummern aus der Feder von Sammy Cahn und Jimmy van Heusen mit Arrangements vom Meister Nelson Riddle, wie Sammys „Bang-Bang!“, das unsterbliche Frank-Dean-Bing-Trio mit „(You’ve Either Got Or You Haven’t Got) Style“, die doppelsinnige Anprangerung des Alkoholkonsums durch das bekanntermaßen wenig abstinente „Rat Pack“ in „Mister Bozze“ – und vor allem natürlich „My Kind Of Town (Chicago Is)“, Sinatras Hymne auf Chicago, die er einst in diesem Film erstmals sang, die durch seine Aufnahme zum Welthit wurde, und deren Darbietung er stets, noch 1993 in Deutschland, auf der Bühne mit jenem Kußhand-Werfen versah, das ihm das Drehbuch 1963 auf den Stufen des Gerichtsgebäudes in Chicago zugedacht hatte.

Vor allem aber führte der Freiluftkinoabend – darüber waren wir uns auf den Heimweggesprächen rasch einig – eindrucksvoll vor Augen, welch großartige Hauptrolle Peter Falk in diesem Film als Franks Widersacher spielt (es ist auch der einzige Film, in dem Falk eine Musiknummer übernahm), und manche seiner Gesten in „Sieben gegen Chicago“ lassen schon seine spätere Paraderolle des „Inspector Columbo“ erkennen, die ihn ab Ende der 1960er Jahre weltberühmt machte.

Umso betroffener machte es uns alle, bei der nächtlichen Heimkehr ins Hotel zu erfahren, daß Peter Falk gestorben war – und zwar, rechnet man’s aus den Meldungen zeitlich zurück, just zur Stunde, zu der wir aufbrachen, uns einen seiner besten Filme zu gönnen. Und so war, ohne daß wir es wissen konnten, der Kinoabend auch zu einer Hommage an diesen tollen Schauspieler geworden.

IV.

Was sich schon bei der nächtlichen Heimfahrt mit der Straßenbahn nach dem Kinoabend am Freitag angedeutet hatte, wurde nun am Samstag morgen zur Gewißheit, als wir erneut die Straßenbahn ab Pirschheide Richtung Stadt nahmen: „Da ist doch was!“

Genauer gesagt, die dreistufig-absteigende Tonfolge, mit der die Stationsansagen in der Bahn eingeleitet werden. Das ist doch der Refrain eines Liedes? Zwar keins von Sinatra, aber ein bekanntes…?

Rasch war’s dann gefunden: „Du-Du-Du (laß mein kleines Herz in Ruh)“, von Lotar Olias (1913-1990), vielfach prominent interpretiert – Bert Kaempferts Instrumentalfassung von 1965 war ein Schlager, und schon 1959 hat unser Ehrenmitglied Max Greger das Stück aufgenommen, das auch im englischsprachigen Raum als „You-You-You“ erfolgreich war.

Und so wurden fortan alle Straßenbahnhaltestellen ab und zur Pirschheide (und das sind einige) musikalisch untermalt, indem die Eingeweihten die Melodie nach jeder Lautsprecher-Tonfolge weiter summten oder „da-da-da“-ten, während die Eingeborenen eher belustigt-irritiert dreinschauten. Dabei ist Sinatras legendäres „Doo-bee-doo-bee-doo“ gar nicht soweit weg…

V.

Aus dem bis dahin sogenannten „Wüsten Berg“ eine Stätte zu machen, wo man „sorgenfrei“ (in der französischen Hofsprache „sans souci“) den Musen frönen könne – das war der implizite Auftrag des legendären Preußenkönigs Friedrich II., genannt der Große (1712/1741-1786), als man im 18. Jahrhundert mit dem Bau jener Garten- und Schloßanlagen begann, die heute weltberühmt sind. Selbige zu erkunden, stand am Samstag im Mittelpunkt unserer Tour de Prusse, die wir dank sachkundiger Führung in einigen oft unbeachtet bleibenden Nebengebäuden begannen, die aber beinahe genausoviel über ihren Auftraggeber erzählen wie Park und Schloß Sanssouci selbst, das Zentrum des Potsdamer Welterbes, dessen wechselvolle Geschichte hier nicht nacherzählt werden soll,.

Bei herrlichem Sommerwetter gingen wir also den Park mit seinen Fontänen und die bekannten Treppen hinauf zum Schloß an, von dessen Ruhm nicht zuletzt die Scharen von Touristen zeugten, die es uns dabei gleichtaten. Oben allerdings, wo zur rechten Seite des Schlosses sein Erbauer begraben liegt, war es vergleichsweise leer… in seinem Testament hatte Friedrich der Große verfügt, dort in einer einfachen Gruft ohne Pomp bestattet zu werden. Doch diesen Wunsch erfüllten ihm seine Untertanen 1786 nicht. Man stellte stattdessen seinen Sarkophag in die Potsdamer Garnisonskirche, schaffte ihn von dort 1944 kriegsbedingt nach Marburg/Lahn und 1952 in die Burg Hohenzollern (Baden-Württemberg) – erst 1991 erhielt er, mit offiziellen staatlichen Ehren der wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland, sein Begräbnis an jener Stätte und in der Form, die er sich von Anfang an gewünscht hatte.

Der Akt von 1991 war nicht unumstritten – aber er ist angekommen, davon zeugen nicht zuletzt die vielen Kartoffeln, die heute noch auf der schlichten Grabplatte abgelegt werden und daran erinnern, daß Friedrich seinerzeit die Bedeutung der aus Südamerika importierten Pflanze zur Bekämpfung von Hungersnöten erkannte und ihren Anbau in Preußen förderte. Heinz Erhardt, der unbestechliche Schalk, erfand dafür knapp zwei Jahrhunderte später die Verse:

„Vom Alten Fritz, dem Preußenkönig, “

/ weiß man zwar viel, doch viel zu wenig.

/ So ist zum, Beispiel nicht bekannt,

/ daß er die Bratkartoffeln erfand!

/ Drum heißen sie auch – das ist kein Witz –

/ Pommes Fritz! “

Über Orangerie und „Drachenhaus“ (dessen Personal zunächst angesichts der Gruppe seinem Namen alle Ehre machte, um uns dann doch letztendlich noch freundlich drinnen wie draußen mit einer mittäglichen Erfrischung zu bedienen) führte unser Weg dann weiter bis zum bombastischen „Neuen Palais“, dem großen Kontrast zum moderat-verspielten Sanssouci, und von dort dann zurück zum Hotel, zur Mitgliederversammlung und zum Videoabend.

VI.

Die DSS hat ja inzwischen immerhin schon mehr als ein Jahrzehnt „auf dem Buckel“, und daß es überhaupt soweit kam, hat sie nicht zuletzt ihrem Präsidenten (2001-2003) Jörg Nierenz aus Berlin zu verdanken, der seinerzeit durch stürmische Gründungszeiten und –konflikte führte. Ihn seit langem wieder mal im Rahmen eines DSS-Treffens wiederzusehen, war nicht nur für den Verfasser dieser Zeilen ein Höhepunkt der samstagabendlichen Vereinssitzung. „They always come back…“

Gestärkt durch das zwischenzeitliche opulente Abendbuffet waren die Vereinsangelegenheiten bald zu aller Zufriedenheit beschlossen, und einem entspannten Sinatra-Videoabend, wie er ebenso zu den Kernpunkten unserer Jahrestreffen gehört, stand nichts mehr im Wege.

Mehr als genug „Stoff“ also, um gemeinsame Leidenschaften, aber auch (bei denen, die FS noch selbst live erleben konnten) liebgewonnene Erinnerungen wieder aufzuwärmen, erneut zu durchleben und zu diskutieren – die Zeit flog dahin, bis zum letzten Resümee in der Lobby-Bar zu früher Morgenstunde: Sinatra war schon der Größte. Ohne Zweifel.

VII.

Wer am sonntäglichen Programm (26. Juni) nach dem Terrassenfrühstück noch teilnehmen konnte, den entführte das „Wassertaxi“ (eine geniale Potsdamer Erfindung, praktischerweise mit Anlegesteg direkt am Hotel) über den Templiner See und über die Havel durch den Potsdamer Hafen bis zum Park Babelsberg, einem weiteren essentiellen Bestandteil des Welterbes. Der Flatow-Turm wurde erstiegen, ein pittoresker Zufluchtsort mit großartiger Sicht auf Potsdam, in dessen Turmzimmer einst Kaiser Wilhelm I. (1797/1861-1888) und sein Kanzler Fürst Bismarck politische Pläne schmiedeten.

Vorbei am Schloß Babelsberg (in dessen Mauern heute Mitarbeiter der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten, darunter unser Organisator, ihren Arbeitsplatz haben, um dessen Lage ihn man nur beneiden kann) und entlang der ehemaligen Zonengrenze (an der immer wieder überrascht, wie wenig man zwanzig Jahre nach der Deutschen Einheit noch vom einst todbringenden Grenzstreifen sieht) führte unser Fußweg dann zu einer beschaulichen Mittagsrast in einem Gartenlokal, das von seiner einstigen Lage direkt an der Grenze der Kalten Krieger ebenfalls nichts mehr erkennen läßt.

Die „Glienicker Brücke“, zu Ostblockzeiten hermetisch abgeriegelte, aber berühmterweise (und berüchtigterweise) Schauplatz zahlreicher geheimnisvoller nächtlicher Austausche von gefangenen Geheimagenten, ist heute als wiedereröffnete Verbindung zwischen Berlin und Potsdam eines der bekanntesten Symbole der Deutschen Einheit – sie heute „einfach so“ überschreiten zu können, bedeutet wohl für jeden, der noch vor der Maueröffnung an den gruseligen Grenzanlagen stand und über die Zukunft nachdachte, eine gehörige Gänsehaut… und ebenso zeitlos große Freude darüber, wie schnell am Ende die Geschichte jene unselige Teilung beiseite schob.

„Geschichte“ umwehte uns dann auch im Schloß Cäcilienhof, jenem Ort, wo „die großen Drei“ Stalin, Truman und Attlee im Sommer 1945 bei der legendären Potsdamer Konferenz die politische und geographische Aufteilung Deutschlands nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa beschlossen. Ein touristisch viel besuchter Ort, dessen besonderer Charakter sich uns aber auch dadurch erschloß, daß wir abseits der üblichen Führungen durch die seinerzeitigen Empfangsräume der Alliierten auch durch die Privatgemächer im esrten Stock streifen konnten, in denen zuletzt bis 1945 Kronprinz Wilhelm, der Sohn des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II., lebte. Denn – so lehrte eigentlich das gesamte Besichtigungsprogramm unseres Wochenendes – wenn man „politische Entscheidungsträger“ und ihre Entscheidungen beurteilen möchte, so sollte man stets auch die „Räumlichkeiten“ besichtigen, in denen sie Politik machten. (Das hat uns ja auch beim Treffen im letzten Jahr in Bonn der Gang durch den Kanzlerbungalow gezeigt.)

Beim Ausklang des Tages im wunderschönen Biergarten der „Meierei im Neuen Garten“ gab es also genug neue Eindrücke zu verarbeiten – und wer immer noch nicht genug hatte, kam ja sogar noch am Montag (27. Juni) auf seine Kosten. Denn der „Filmpark Babelsberg“, am Gelände der alten UFA-Traumfabrik gelegen, kann vielleicht nicht mit den Münchner Bavaria-Studios mithalten, ist aber trotzdem mit seinen Exponaten und seinen Kulissen einen Besuch wert. Denn hier lag der Ursprung jener „Kino-Traumwelt“, die in den 1920er Jahren als einzige mit Hollywood mithalten konnte. Heute ist man aber bescheiden und ganz modern; ein Besuch im 4-D-Kino ein Muß – eine mitreißende virtuelle Achterbahnfahrt stand so am Ende unseres Treffens, eine lautstarke Stuntshow im „Vulkan“ als Zugabe.

VIII.

Was bleibt von einem Treffen? Die Vorfreude auf das nächste!

Ich glaube, daß das diesmal besonders gut gelungen ist.

Denn die vielleicht größte Stärke unserer DSS war es schon immer, Leute ganz unterschiedlichen Alters, ganz verschiedener Berufe und ganz divergenter persönlicher Interessen zusammenzuführen – auf der Basis, daß wir alle die Auffassung teilen, daß Francis Albert Sinatra einer der größten musikalischen Stimmen des 20. Jahrhunderts gewesen ist.

Und das klappt seit nunmehr über zehn Jahren – da darf man, finde ich, schonmal etwas programmatisch werden.

Auch und gerade vor diesem Hintergrund hat, wie ich meine, unser Marcus Prost mit der Organisation des Potsdamer Treffens tolle Arbeit geleistet. Nicht nur, weil wir alle so viel Spaß hatten und das Quartier optimal gewählt war. Sondern eben auch, weil er uns im Laufe der Rundgänge teilhaben ließ an seiner Passion für die Geschichte und die Örtlichkeiten – wer zuhören wollte, konnte lernen, wer Fragen hatte, bekam Antworten, und wer überhaupt dabei war, konnte erleben, wie Türen aufgingen, die sonst verschlossen bleiben. „Wir stellen uns einander vor“ – auch ein Motto für unsere Treffen.

Der für mich schönste Satz des Treffens aber fiel am späten Samstagabend auf der „Rauchterrasse“ vor der Fensterfront, die den Blick auf unseren Videoraum freigab. Einmalig, so sagte dort eines unser Mitglieder, sei es, „die ganzen verschieden Leute“ dort silhouettenhaft sitzen zu sehen, wie sie mitgingen im Takt der Musik des Chairman of The Board. Und dann: „Das alleine ist schon die Anreise wert“.

Genau so ist es.

Und solange uns das weiterhin gelingt, können wir sorgenfrei in die Zukunft schauen.

Eben sans souci : The music never ends.

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