Liebe Sinatra-Freunde,
es war eine alte Underwood-Schreibmaschine, auf der ich meine ersten Texte schrieb – also die war schon damals alt. Der Umstieg auf Computer erfolgte bald, und der war schon fein. Nur eines geht mir heute noch ab: Wenn die ersten Zeilen nicht gepasst haben, dann habe ich früher das Papier (fast) wie in alten Kinofilmen herausgezogen, es lustvoll zerknüllt und anschließend den Papierkorb mit dem neugeschaffenen Wurfgeschoss – natürlich – verfehlt. Dieses Gefühl vermisse ich immer noch: ein Unterschied wie zwischen LP und MP3.
Also bleibt der Einstieg stehen, auch wenn er mir nicht gefällt. Es ist halt schwierig: Was soll ich jetzt über meine Vorfreude aufs Jahrestreffen schreiben? Für Euch ist das ja schon längst im Gange, vielleicht sogar schon wieder vorbei. Aber was soll ich jetzt lamentieren, Frank nahm seine Weihnachtslieder ja auch nicht unterm Christbaum auf.
Apropos Weihnachten; Alex Schicke dreht das Rad der Zeit zurück, und berichtet uns vom Knüller des Weihnachtsgeschäfts im Jahr 1993. Nein, ich meine nicht die tanzenden Blumenstöcke aus Plastik, sondern Franks vielleicht umstrittenstes Musikprojekt seiner Karriere: Duets! Es mag künstlerisch wertvollere Alben gegeben haben, aber es war ein Riesenerfolg, und zwar ein Erfolg, der Sinatras Stellenwert irgendwie bis heute positiv beeinflusst hat.
Am Tag des Verkaufsstarts traf ich meinen damaligen Chef auf Außentermin – wir kamen aus unterschiedlichen Richtungen, also waren wir mit 2 Autos unterwegs. Am Rückweg ins Büro erfuhr ich in den Weltnachrichten (!), daß endlich der Tag gekommen sei. Ich war grad auf der Ringstraße, also schnell ein Abstecher zu EMI auf die Kärntnerstraße, damals mein Stammgeschäft. Ich war noch nicht durch die Tür, da hörte ich: „Am Nachmittag!“. Mein Chef hat sich diebisch gefreut, dass er Wien endlich einmal deutlich schneller querte als ich. Der Verkauf lief übrigens zäh an, Elton John schien mit dem gleichartigen Projekt mit gleichem Namen das Rennen zu machen. Irrtum, schon ein paar Tage später haben sie bei Mediamarkt nur mehr die Schachteln hingestellt, und weil ich selbst die Tage vor Weihnachten in New York verbracht habe, werde ich wohl nie vergessen, wie sie dort damals aus dem Häuschen waren. Wer das erlebt hat, wird das Album immer verteidigen. Und Alex, obwohl damals noch viel zu jung, trifft es auf den Punkt.
Ein Gefühl wie Weihnachten wird diesen Sommer wohl jeder Fußballfreund aus Deutschland gehabt haben. In Brasilien wird man das jetzt wohl anders sehen, aber auch aus Sinatra-Sicht ist das gut so, jetzt bleibt Frank die Ehre, des schönsten Abends in der Geschichte des Maracaná-Stadions. Bernhard Vogel erinnert uns an den Abend des Weltrekords, und bringt uns Besonderheiten der damaligen Sinatra-Tour in Erinnerung. Ein Ereignis auf das ganz Brasilien jahrzehntelang warten musste, fast so lange wie auf einen WM-Titel im eigenen Land.
Bernhard erzählt uns aber noch eine Geschichte, und sie ist fast so traurig, wie das Semifinale aus Sicht Brasiliens: Den „Roseland Ballroom“ gibt es nicht mehr, jener Ort, an dem Frank vor 75 Jahren den eigentlichen Durchbruch schaffte – noch mit Harry James, aber schon mit vielgepriesenen Radio-Übertragungen – schade.
Wesentlich erfreulicher ist Bernhards 3. Geschichte: Es handelt sich um die Rezension eines Buches. Ein Buch, das man nicht gerade als textlastig bezeichnen kann, erinnert es doch mehr an ein Telefonbuch, denn an einen Roman. Allerdings sind die in „Beyond Bojangles“ enthaltenen Informationen weit wichtiger als die Auflistung diverser Telefonanschlüsse, denn es ist die bisher zweifelsfrei umfangreichste Sammy Davis-Datensammlung überhaupt. Ich kann da noch eins draufsetzen: Sammy-Freunde brauchen für das Nachschlagwerk keinen Platz im Regal freizumachen, ein Plätzchen griffbereit direkt bei der Musikanlage ist ihm sicher.
Einer der beiden Autoren dieser beeindruckenden Enzyklopädie ist unser Mitglied Florian Kerz, und er schreibt auch in dieser Voice, und zwar eine ganz besondere Geschichte – natürlich über Sammy, und zwar in seiner vielleicht spannendsten Phase, und es geht um seine Auftritte in Deutschland, und um die Entstehung einer ungewöhnlichen LP.
Wir sind noch nicht ganz am Ende, jedoch der Kreis beginnt sich langsam zu schließen. Man sollte meinen, dass es Hollywood leichter hat mit falschem Wetter. Ganz so einfach dürfte die Sache nicht immer sein, zumindest bei „Singin In The Rain“ offenbar nicht. Tim Bialek berichtet davon, und von einer Musical-Produktion, die dem berühmtesten Regentanz der Filmgeschichte offenbar alle Ehre macht.
Ehre ist ein gutes Stichwort. Sinatra-Tribute-Alben oder auch Abende gibt es wie Sand am Meer. Manche davon haben auf mich eine Wirkung wie Weihnachten auf Kinderaugen. Aber Kinder werden grösser, und nach ein paar Jahren kommt halt manchmal auch Abgeklärtheit mit ins Spiel. Darum freue ich mich, wenn solche Projekte ungewöhnlich angegangen werden, so etwa eine Neuproduktion von Helmut Eisel und dem Sebastian Voltz Trio.
Vollbracht, jetzt darf ich mich zurücklehnen, und mir einen Drink eingießen. Nur welchen? Die Antwort gibt vielleicht ein neues Sinatra-Cocktail-Buch, das uns Alexander Bach vorstellt.
Na dann Prost und keep swinging,
Euer Alfred